Nachbau möglich?

In diesem Unterforum erörtern wir Themen rund um die Entwicklung, Herstellung und Optimierung von Hautpflegeprodukten (inklusive Fehlersuche).

Moderator: Helga

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margaris
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Nachbau möglich?

Ungelesener Beitrag von margaris »

Ich wurde heute angefragt, eine Handcreme nachzubauen, die es leider nicht mehr gibt.... Avocado-Sanddorn von TerraNaturi

INCI:
Aqua
Glycine Soja
Glycerin
Alcohol
Caprylic/Capric Triglyceride
Myristil Alcohol - Lanette 14 oder Montanov 14
Cetearyl Alcohol - Lanette O
Glyceryl Stearate Citrate - Dermofeel GSC
Butyrospermum Parkii Butter
Persea Gratissima
Xanthan Gum
Squalane
Tocopheryl Acetate
Helianthus Annuus
Lecithin - ich denke Reinlecithin
Hydrogenated Palm Glyceride (nennen sie lustigweise auf D Kokosöl...) - Palmkernfett: Wachs, Konsistenzgeber mit leicht emulgierenden Eigenschaften
Hippophae Rhmanoides Extract
Hydrogenated Lecithin - Emulmetik 320
Calendula Officinales Extract
Tocopherol
Lysolecithin
Brassica Campestris Sterols - Phytosterol auf der Basis von Rapsöl, Konsistenzgeber
Ascorbyl Palmitate - Fettsäureester der Ascorbinsäure. Ascorbinpalmitat ist ein Antioxidationsmittel und Emulgator- Dermofeel ® Ascorbyl Palmitat, soll unterstützend bei der Verwendung von Tocopherolen wirken (sie nennen's auf D Vitamin C ...)
Parfum


Dermofeel GSC ist erst diesen April auf dem Markt gekommen und ersetzt das bisherige auf Palmöl basierende GSC (sie machens aus Rapsöl). Klingt von daher sehr interessant.

Mein "Senf" dazu:
so aus dem Bauch raus ziemlich viel Emus, zuviel Alc und auch heftig Wirkstoffe. Oder was meint Ihr? Möchte einfach nur Euren "Senf" :knutsch:

PS: Irgendwie hätte ich Lust, der Person was eigenes zu mischen, mit weniger Inhaltsstoffen, da sie empfindlich ist ... ist aber die einzige (Kauf-)Handcreme, die sie bisher verträgt. An Emulmetik 320 und Neutralöl komme ich ja problemlos, aber die anderen speziellen Sachen ...
Mir schwebt was im Stil von Heikes Basisrezepten L3 oder L4 vor.
Liebe Grüsse
Margaris

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pflanzenölscheich
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Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

Ich finde es durchaus schon wirr bis wüst, Sterole als Konsistenzgeber einzusetzen. Die machen ja nicht nur das Produkt fester sondern auch die Hautbarriere - und da gibt es, wie ich inzwischen weiß, ein Zuviel.

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Texana
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Ungelesener Beitrag von Texana »

Für mich hätte es zu viele Incis.
Liebe Grüsse
Ursula

Wo es nichts zu fragen gibt, gibt es auch nichts zu lernen. Hubertus Halbfas

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pflanzenölscheich
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Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

margaris hat geschrieben:Brassica Campestris Sterols - Phytosterol auf der Basis von Rapsöl, Konsistenzgeber
Avocadin müsste einen guten Ersatz abgeben.
Ascorbyl Palmitate - Fettsäureester der Ascorbinsäure. Ascorbinpalmitat ist ein Antioxidationsmittel und Emulgator- Dermofeel ® Ascorbyl Palmitat, soll unterstützend bei der Verwendung von Tocopherolen wirken (sie nennen's auf D Vitamin C ...)
Heike schreibt im Tocopherol-Portrait:
Vitamin E wirkt in einer spezifischen Weise gegen so genannte freie Radikale: bei der Reaktion mit einem Radikal wird es selbst zu einem. Vitamin C ist in der Lage, aus diesen Radikal wieder Vitamin E »zurückzubilden«. Aus diesem Grunde sollten beide Vitamine kombiniert eingesetzt werden.

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Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

Noch ein Gedanke zum Thema Glycerin: Das erkennbare Rezepturgerüst führt Glycerin noch vor dem Alkohol auf. Selbst wenn wir einen Wasseranteil von "nur" 60% annehmen (und damit immer noch 40% Fett), müsste es zur Konservierung, die hier anscheinend zur Gänze dem Weingeist anvertraut ist, mindestens 12% von 60% (also 7,2%) Alkohol in der Rezeptur geben und damit laut INCI mindestens so viel (wenn nicht noch mehr) Glycerin. Ich liebe Glycerin, aber so hoch würde nicht einmal ich es in einem Pflegeprodukt dosieren.

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pflanzenölscheich
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Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

ist aber die einzige (Kauf-)Handcreme, die sie bisher verträgt.
Ich würde die Liste mehr als eine Aufzählung der offensichtlich verträglichen Zutaten verstehen und weniger als Rezepturschablone. Was wissen wir also über die Haut dieser Person und deren Lieblingsrezeptur?

1.) Etwas großzügiger dosierte Fettalkohole werden anscheinend problemlos vertragen. Vielleicht erfüllen sie sogar eine wichtige Funktion, indem sie die Haut besonders weich und geschmeidig machen - wozu aber bereits 1% Cetylalkohol fähig wäre.
2.) Reine Alkoholkonservierung ist akzeptabel.
3.) Das prominent gelistete Sojaöl (circa 50% Linolsäure) und der Umstand, dass andere pflanzliche Fette erst unter "ferner liefen" zu finden sind, lässt den Schluss zu, dass die gesuchte Rezeptur eher linolsäuredominiert sein sollte.
4.) Wenn man allen Anhaltspunkten folgt und somit über den Daumen peilt, dass schätzungsweise 15% Sojaöl enthalten sein könnten (aber auch nur, wenn der Wasseranteil nur 60% beträgt), wären 0,9-1% Alpha-Linolensäure zur Anregung des Hautstoffwechsels in der gesuchten Formulierung wohl recht günstig.
5.) Hauptemulgator sollte ein selbstemulgierendes Glycerinstearat sein.
6.) Lecithin und hydriertes Lecithin sind sinnvolle Zusätze, vorausgesetzt, dass die hydrierte Fraktion geringer dosiert ist als die nicht hydrierte.
7.) Vermuten wir, dass Xanthan nicht höher als 1% dosiert ist (Heike empfiehlt zum Stabilisieren von Emulsionen bis zu 0,5%), dann relativiert sich die Vermutung einer großen Menge von Wirkstoffen zumindest im Gewichtsanteil.
8.) Aus der vorigen Überlegung ergibt sich, dass Squalan hier mit allerhöchstens 1% der Gesamtmenge offenbar zur Feinabstimmung des Spreitverhaltens dient.
9.) Sanddorn- und Ringelblumenextrakt sind wohl eher Placebozutaten, weil sie beide zusammen ziemlich sicher markant weniger als 2% ausmachen.
10.) Nimmt man an, dass die beiden Fettalkohole (Cetearyl- und Myristylalkohol) als Konsistenzgeber fungieren, lässt sich ferner mutmaßen, dass keiner der beiden mit mehr als 2-3% zu Buche schlägt - was in Summe immer noch satte 4-6% Konsistenzgeber wären.
11.) Unter Voraussetzung von Überlegung 10 dient Sheabutter (mutmaßlich zu höchstens 3% enthalten) hier hauptsächlich als Lipase-vermittelter und damit langsamer Freisetzer von bestenfalls 1,3% Stearinsäure. Gallussäure, Katechine und dergleichen werden bei solch niedriger Dosierung schwerlich zu gebührender Geltung kommen.
12.) (Womöglich raffiniertes) Avocadoöl, wenn wir es ebenfalls mit dem mutmaßlichen Höchstwert von 3% ansetzen (was aber schon einigen Optimismus erfordert), könnte in diesem günstigsten Fall gerade einmal 0,69% Palmitinsäure und 1,4% Ölsäure beisteuern. Lecithin, Sterole, Vitamine - kurz: das Unverseifbare - ist bei solcher Dosierung getrost zu vernachlässigen, was den Eindruck eines Werbegags in mir erzeugt.
13.) Puncto Lecithin könnte man sich ob der aus den vorigen Überlegungen ableitbaren geringen Einsatzkonzentration dazu entschließen, es nicht eigens beizumischen sondern aus pflanzlichen Ölen zu beziehen. Wie wäre es zum Beispiel mit Avocadoöl? ;)

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pflanzenölscheich
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Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

Beim eingehenderen Durchrechnen will mir scheinen, dass 15% Sojaöl noch zu hoch geriffen sind.

margaris
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Ungelesener Beitrag von margaris »

Pflanzenölscheich: Du bist ein Schatz!!

Die Creme ist für den Mann einer Bekannten (sie ist die Waldgruppenleiterin meiner Tochter), da muss ich noch ein paar Fragen stellen, ich weiss bis jetzt nur, dass er empfindliche Haut hat. Hm, ich könnte ja einfach mal ein kleines Muster machen, mit all den Überlegungen und dann sehen, was er dazu meint. Und halt anpassen bis es passt. Was glaub ich nicht soo schwierig sein sollte.

Wenn ich die Konsistenz so anschaue (habe hier noch einen winzigen Rest in der Tube), würde Heikes Basisrezeptur L3 passen, mit schön Avocadoöl (da ja angeblich stark drin sein sollte, gemäss Bildern und Name) und ev. Sanddornöl.

Mal ein Entwurf
Fettphase:
7,0 g Öle - 4 g Avocado grün, 3 g Soja
3.5 g Pflanzenbutter (z. B. Shea-, Cupuaçubutter) - 3 g Shea unraff, 0.5 g Avocadin
1,0 g Cetylalkohol
0,5 g Bienen- oder Sonnenblumenwachs - Bienenwachs (habe nur das - oder Mimosenwachs, möchte aber simpel bleiben)
1,5 g Lysolecithin
Wasserphase:
16,6 g Wasser - hm, ich liebe ja Hydrolate, werde es aber für den Anfang beim Wasser belassen (sonst wäre mein Favorit Karottensamenhydrolat)
1 Messerspitze Gelbildner (ca. 0,1 g) - Xanthan habe ich da

Konservierung:
6 Tr. Rokonsal™ BSB-N (pH-Wert 5–5,5)

Sanddorn habe ich jetzt weggelassen, da habe ich kein frisches mehr da. Ich glaube so für den Anfange könnte das was sein.
Liebe Grüsse
Margaris

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Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

Um eine wirklich informierte Entscheidung treffen zu können, muss einmal geklärt werden, was "empfindliche Haut" hier genau meint. Wäre sie barrieregestört, so könnte das Lysolecithin weniger geeignet sein als Reinlecithin oder hydriertes. Wenn "empfindlich" heißt, dass die Haut zu entzündlichen Unterlagerungen neigt, mag sogar ein Schuss Lipodermin angezeigt sein, um die Verhornung zu regulieren.

Nach dem als verträglich eingestuften Rezepturgerüst (laut INCI) würde ich darauf tippen, dass Verhornungsregulierung mit an Bord war (wegen der Trilinolein-Ester und der großen Lecithinmenge im Sojaöl - wenn es denn nativ gewesen wäre - sowie dem nicht-hydrierten Lecithin als weiterer Phosphatidylcholin-Quelle - wie gering sein Anteil auch immer gewesen sein mag). Das hydrierte Lecithin kann als Ceramidersatzkrücke verstanden werden und auf diese Weise zur Barrierestärkung beitragen. Heike erwähnt als Einsatzkonzentration für diesen Zweck 0,5-1%, was ins obige Rezepturgerüst passen könnte. Ein wenig Emulmetik 320 vielleicht noch für Deinen Rezeptentwurf?
:gruebel:

Die mutmaßlich recht zünftig dosierten Fettalkohole gehen in eine ähnliche Richtung. Ich hatte einmal versuchsweise 99% Nachtkerzenöl und 1% Cetylalkohol im Test. Es war mitten im Winter, und meine Haut verhielt sich, als hätte ich viel mehr Palmitinsäure verwendet, als das Nachtkerzenöl enthielt. Daher formulierte ich meine Hypothese, dass sich Fettalkohole in einem gewissen Rahmen wie ein über die Zeit hinweg freigesetztes Konzentrat jener Fettsäure verhalten, von der sie gebildet sind. In jener Handcreme wären es Myristin-, Palmitin- und Stearinsäure.

Du verwendest in Deinem Entwurf Bienenwachs, während die "Referenzcreme" komplett ohne Wachse auskommt. Kann zu abdichtend sein, muss aber nicht. Es hilft nichts: Wir brauchen mehr Information über die Haut des Empfängers. :ja:

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