Haltbarkeit von Cremes

In diesem Unterforum erörtern wir Themen rund um die Entwicklung, Herstellung und Optimierung von Hautpflegeprodukten (inklusive Fehlersuche).

Moderator: Helga

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Heike
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Ungelesener Beitrag von Heike »

Nine hat geschrieben:
Mittwoch, 1. August 2018, 18:18
also, dass Orangenöl extrem verderblich sei, halte ich doch für ein Gerücht.
Nein, Nine, das ist eine Tatsache. Grund sind die Gehalte an (+)-Limonene, die je nach Herkunft des (süßen) Orangenöls bei ca. 85–95 % liegt. Tisserand empfiehlt daher eine dunkle, vor Sauerstoff geschützte Lagerung im Kühlschrank sowie eine Zugabe von Antioxidantien direkt nach der Herstellung, angelehnt an die Empfehlungen der IFRA (International Fragance Association). Oxidierte Öle sind hautreizend, aber auch intaktes Öl gilt als moderat irritierend. In der Praxis wird dies zugegebenermaßen nur wenige betreffen.

Das Problem liegt wohl eher darin, dass wir als Endverbraucher keine Möglichkeiten haben, die Qualität und Frische der ÄÖ einzuschätzen, die wir einkaufen. Wir wissen nicht, wie lange sie bereits lagern, wie sie gelagert werden und ob der Shopinhaber sie aus einer seriösen Quelle bezogen hat. Es ist auch eine Frage des Preises. Ohne das Thema vertiefen zu wollen: Wie oft wird hier von Selbstrührern ein günstiger Preis als Kriterium für den Kauf von Rohstoffen in die Diskussion geworfen? So wird wohl manches ätherische Öl, das wir kaufen, seine besten Zeiten schon hinter sich haben, weil der Händler es sich nicht leisten kann, nach einem Jahr die Reste der vorherigen Charge zu entsorgen und neu einzukaufen. Das sind spekulative Aussagen, aber sie sind nicht unrealistisch, wenn man den Markt eine wenig kennt und hinter die Kulissen schaut.
Nine hat geschrieben:
Montag, 6. August 2018, 10:56
In Kosmetika kommt es etwa in zweihundert- bis tausendfacher Verdünnung zum Einsatz und ist aus Verbrauchersicht bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Kosmetikums unbedenklich.
Bei 1000-facher Verdünnung – ich nehme mal diese untere von Dir genannte Grenze – müsstest Du, um 50 ml Produkt zu bedurften, eine extrem stark verdünnte Lösung des Orangenöls vorbereiten. Viele berechnen z. B. 1 Tropfen auf 10 ml Emulsion/Endprodukt und schätzen diese Dosierung grob 1%ig. Auf 50 ml Emulsion sind das 5 Tropfen. Wie stellst Du die Dosierung eines Tausendstel davon sicher?

Machst Du das tatsächlich?

Die von Eliane Zimmermann genannte und als kurz ultrakurz bewertete Zeitspanne ist tatsächlich eine sehr kurze. Andere Öle reifen Jahrzehnte und werden immer besser, wie ein guter Wein.
Liebe Grüße
Heike

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Kunstblume
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Ungelesener Beitrag von Kunstblume »

Ich schätze bei AZ, dass sie Monat und Jahr der Destillation bei ÄÖs und Hydrolaten angeben. Und zum ÄÖ Orange als Lösungsmittel kann ich euch demnächst gerne mal ein Foto meines WC-Spülkastendeckels einstellen. Dort hat das ÄÖ Orange tatsächlich den Kunststoff gelöst, als mir von der Duftlampe, die darauf stand, ätherisches Öl runterlief und dort eine Zeit verweilte. Ein sehr potentes Öl, das deutlich schneller als andere (Vetiver, Geranie, Patchouli...) oxidieren kann, was sich am klebrigen Flaschenrand bemerkbar macht, wenn man es zu häufig öffnet.
Liebe Grüße, Nina

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Nine
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Ungelesener Beitrag von Nine »

Hallo liebe Heike,

mir sind im Moment keine Studien bekannt, die die besondere Emfindlichkeit von Orangenölen gegenüber anderen ÄÖ aus Zitrusfrüchten herausheben, bekannt - ich werde mich bei Gelegenheit mal auf die Suche begeben und gegebenfalls meine Einschätzung revidieren.

An der Potenz von ätherischen Ölen und deren grundsätzlicher Empfindlichkeit (z. B. im Vergleich mit üblichen Speiseölen) besteht ja kein Zweifel. Unter einer extremen Verderblichkeit würde ich jedoch einen Verderb innerhalb von Tagen verstehen. Bislang vertraue ich dem MHD der gekauften Öle, die ich im Kühlschrank/dunkel lagere und damit zurechtkomme. Freilich habe ich selber keine Analysen im Abstand von mehren Wochen gemacht, auf deren Basis sich eine Veränderung abschätzen ließe. Auch das BfR äußert sich allerdings nicht bezüglich kritischer Haltbarkeiten. Ich berichte von Ausgang meiner Literaturrecherche, wird aber ein wenig Zeit in Anspruch nehmen!

Zur Einsatzkonzentration: ich verwende ÄÖ zur Parfümierung grundsätzlich nur bis maximal 0,4 %, und immer als Mischung von mehreren ÄÖs. Dort, wo Orangenöl zum Einsatz kommt, sind noch 3 weitere ÄÖ beteiligt (zu gleichen Teilen), so dass hier die Konzentration von Örangenöl bei 0,1% = einem Promill = 1g auf 1kg im Fertigprodukt liegt. Das ist jetzt nicht soweit weg von der tropfenweisen Zugabe von 3 - 5 Tr. auf 50ml Creme oder haben wir uns hier missverstanden? Je nach Tropfengröße mögen ca. 20 Tr einem Gramm entsprechen, dann sind 5 Tropfen 0,4 g. Bei gleicher "Duftmischung" mit 1/4 Orangenöl macht das 0,1 g ÄÖ Orange auf 50 ml Creme oder 0,2 g auf 100 g Creme [über den ganz groben Daumen] entsprechend einer Verdünnung um den Faktor 500?

Liebe Grüße,
Nine

p.s.: Zum Thema "Was der Hersteller so macht und was wir nicht alles wissen": Ich wurde mal von einem Menschen angesprochen, der aus eigener Landwirtschaft Olivenöl vertreibt. Da nicht immer alles "frisch" verkauft werden kann, suchte er eine alternative Verwendung für Öl "vom Vorjahr", dass er seinen Kunden "nicht mehr zum Verzehr anbieten wollte". Glücklicherweise habe ich keine Rezeptur mit Olivenöl. so dass ich ihm die harte Wahrheit, dass ich seinen "Abfall" ganz sicher nicht in Kosmetik einarbeite, nicht so unverblümt sagen musste ;-)

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Nine
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Ungelesener Beitrag von Nine »

Hallo zusammen!

Hier das letzte Woche angekündigte Ergebnis einer kleinen Literaturrecherche zur Haltbarkeit von Orangenöl:

1) „harte“ wissenschaftliche Literatur: keine konkreten Aussagen zur Haltbarkeit zu finden. Im sehr umfassenden (und zunächst „vielversprechenden“) Review Stability of Essential Oils: A Review wird ausführlich dargestellt, wie sich Inhaltsstoffe ätherischer Öle unter verschiedenen Einflüssen verändern können, jedoch ohne quantitative Aussagen. Es werden im entsprechenden Kontext auch konkrete ÄÖ benannt, so z.b. Lorbeer-, Fenchel-, Zitronen-, Marjoran-, Thymian-, Rosmarin- oder Lavendelöl. Eine Erwähnung von Orangenöl konnte ich nicht finden, was zumindest nicht dafür spricht, dass Orangenöl „besondere“ Eigenschaften hat.

2) Populärwissenschaftliche Info:

http://www.witzleben-apotheke.de: Haltbarkeit ätherischer Öle
„Ätherische Öle bzw. Ölgemische sind in der Regel, soweit nichts anderes angegeben ist, mindestens 36 Monate haltbar (nach EU-Recht 30 Monate). Voraussetzung ist, dass sie in lichtgeschützten Braunglasflaschen kühl aufbewahrt werden, also weder extremer Hitze noch Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind.

Kalt gepresste Zitrusöle sowie einige Koniferenöle wie Kiefernnadelöl sind nur 12 Monate haltbar. Das liegt daran, dass diese Öle nach dem Öffnen der Flasche sehr schnell oxidieren, erkennbar an einem veränderten, manchmal unangenehmen Geruch.“

www.apotheken-umschau.de
„Ätherische Öle halten nicht ewig: "Wenn Sie eine neue Flasche öffnen, notieren Sie darauf immer das Datum", rät Stadelmann. Die geringste Haltbarkeit hat Teebaumöl – Sie sollten das Öl innerhalb von sechs Monaten aufbrauchen oder die angebrochene Flasche dann entsorgen. Fruchtige Öle wie Zitrone, Grapefruit oder Orange halten bis zu einem Jahr, Kräuteröle (Kamille, Lavendel, Eukalyptus) etwa zwei Jahre. Öle, die ihre Haltbarkeit überschritten haben, oxidieren und können zu starken Schleimhautreizungen führen.“

Auch das Bundesinstitut für Riskobewertung hat sich zwar mit verschiedenen Fragestellungen zu ÄÖ beschäftigt und gibt Empfehlungen zu Maximalkonzentrationen aus, z.B. hier:
Die Kommission für Kosmetische Mittel des BfR hat für einzelne ätherische Öle Richtkon-
zentrationen für den Einsatz in kosmetischen Mitteln empfohlen. Danach sollten Produkte,
die auf der Haut verbleiben, maximal 1 % Eukalyptusöl, Kampfer, Menthol oder Methylsalicy-
lat enthalten. Für Produkte, die abgespült werden, liegen die empfohlenen Gehalte bei 5 %
für Kampfer, 4 % für Menthol und 2,5 % für Methylsalicylat.
oder hier:
Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt, die Konzentration von Teebaumöl in kos-
metischen Mitteln auf maximal 1 % zu begrenzen. Teebaumöl enthaltende kosmetische Pro-
dukte sollten außerdem vor Licht geschützt und mit Antioxidantien versetzt werden, um die
Oxidation der Terpene weitestgehend zu vermeiden.
Eine Verlautbarung zu Orangenöl seitens des BFR fand ich nicht, folglich auch keine Einschränkung zur Anwendung z.B. aufgrund einer besonders kurzen Haltbarkeit in Kosmetika.

Ich ziehe daraus den Schluss, dass Orangenöl - wie von mir zuvor bereits angenommen - keine besonders kurze Haltbarkeit oder extreme Verderblichkeit hat, sondern sich diesbezüglich wie andere verwandte ÄÖ aus Zitrusfrüchten verhält.

Sollte das dennoch anders sein, freue ich mich über entsprechende Literatur!
Liebe Grüße
Nine

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Wildecat
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Ungelesener Beitrag von Wildecat »

Ulrike hat geschrieben:
Mittwoch, 1. August 2018, 10:25
Wildecat hat geschrieben:
Dienstag, 31. Juli 2018, 11:06
...
Allerdings könnte ich derzeit auch wirklich vierzehntägig nachrühren, weil ich nach anderhalb Wochen die Reste nicht mehr verwenden kann. Ich mag den Kühlschrank nicht noch mit meinen Cremes belasten. Aber im Bad wie üblich, scheinen die Produkte keine 2 Wochen mehr zu überstehen und verändern dann die Konsistenz.

Die Handcreme muss in meiner Handtasche tatsächlich immer durch die Hölle und nach einer Woche spätestens sind Geruch und Konsistenz hinüber.

I...
Beschreibe doch bitte mal genauer, wie du die Creme aufbewahrst (Airless, Dose, oder) und was mit der Creme nach weniger als 2 Wochen nicht stimmt.

Ulrike
Also, dass mit den Airless Spendern habe ich weitestgehend abgeschafft, da ich sie anschließend nicht mehr so reinigen kann...seitdem verwende ich Tuben und Plastiktiegelchen, die ich sterilisiere (Fläschensterilisator) und anschließend mit Alkohol besprühe. Ich benutze allerdings keinen Spatel. Cremes mit dünnflüssigerer Konsistenz gieße ich auf die Handfläche und Bodybutter verwende ich seit je her mit den Fingern. Jedes Mal einen frisch sterilisierten Spatel zu verwenden ist mir einfach im Alltag zu umständlich.

Seit die Temperaturen nun wieder angenehmer sind, bleiben auch meine Cremes stabiler....

LG Wildecat

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