Ohne ein der Landschaft angepasstes, ordentliches Fundament wird das nichts Will sagen - ohne eine dem eigenen Hauttyp entsprechende Reinigung kann die nachfolgende Gesichtspflegen nicht richtig oder gar nicht mehr wirken.
Aus gegebenen Anlass, weil man mich gebeten hat, bzw. weil ich immer öfter lese, welcher Schaden angerichtet werden kann, möchte ich diesen Beitrag verfassen. Hinweis: Ich bin weder Hautärztin noch Kosmetikerin, rühre aber seit mehr als 20 Jahren, bin seit der Gründung in diesem Forum und habe ich mir das Wissen aus Büchern an_erlesen, die Quellen samt Seitenzahl sind nachstehend ganz unten angeführt.
Vor ein paar Tagen erhielt ich als Beipack einer Rohstoff-Lieferung eine lieb gemeinte Rezept-Karte für einen "Körper- und Gesichtsreinigungsschaum", verfasst von jemandem, der wohl Menschen Freude bereiten wollte. Neugierig - weil mit einem Reinigungsprodukt von gleichzeitig Körper und Gesicht für mich nicht zusammen geht, habe ich die nicht angegebene Höhe an WAS mittels Analysenrechner errechnet, es waren 10%.
Nun sind 10% für ein Duschgel im üblichen Bereich und absolut OK - aber für eine Gesichtsreinigung? In solchen Fällen (bei Rezepten, die viele erreichen sollen) gehe ich immer vom schlimmsten aus, nämlich dass jemand diesen Schaum (aus der Verschäumerflasche) unverdünnt anwendet. Wird der Schaum in der Hand 1:1 verdünnt, sind es noch immer 5%. Viel zu viel für z. B. trockene, empfindliche Haut und - meine persönliche Meinung ist - auf Dauer auch zu viel für normale Haut, vielleicht sogar für fettige. Schäumende Produkte sind für die Gesichtshaut auch nicht unbedingt gut. (Ich selbst verwende eine ganz milde, ganz einfache Reinigungsmilch mit niedriger FP, als Emulgator immer mit dabei Phospholipon 80H, dieser zählt erstens nicht zu Emulgatoren (die ja auch Tenside sind), sondern ist als Lecithin auch gleichzeitig ein Wirkstoff. (siehe ganz unten, Begriffe)
Mir fällt auch immer öfter auf, dass man das Reinigungsprodukt für das Gesicht als unwichtig, nebensächlich wahrnimmt, man nimmt halt ein Produkt, das einem entweder angenehm ist, bequem in der Anwendung, eines das man schon immer verwendet oder vielleicht einfach nur günstig ist.
Dabei ist das Reinigungs-Produkt für die Haut genau so wichtig wie die Tages-/Nachtpflege. Alle Produkte - soferne auf den eigenen Haut-Grundtyp - abgestimmt, ergänzen sich. Milde Reinigungsmittel reinigen eben "mild" und zerstören nicht den Säureschutzmantel/Hydrolipidfilm (davon später noch mehr), sie rückfetten nicht (oder wenn, wird mit Tonic/Gesichtswasser nachgereinigt) und hinterlassen ein angenehm sauberes, frisches Gefühl (bei mir muss sich die Haut "glatt", prall anfühlen).
Ergänzend und eigentlich unerlässlich ist das anschließende Nachreinigen mit einem Gesichtswasser oder einem Gesichts-Tonic ohne oder ganz wenig Alkohol.
Das kann sein entweder ein Hydrolat pur oder verdünnt (aber konserviert), oder dest. Wasser auf Ph 5-5,5 eingestellt, es kann angereichert werden mit z. B. D-Panthenol und/oder Ectoin, Niacinamid und ähnliches. Aufgesprüht auf ein Wattepad nimmt man damit die letzten Reste ab, auch den Kalk bei hartem Wasser, es neutralisiert den Ph-Wert auf der Haut und erfrischt auch gleichzeitig, zumindest ich empfinde es so. Die Haut ist nun wunderbar vorbereitet um das selbst gerührte Pflegeprodukt aufzunehmen

Bei der Wahl des Reinigungsproduktes sollten wir uns vor Augen halten, ob es eines sein soll, dass auch fettlöslichen Schmutz (wie z. B. Talg oder Makeup) entfernt (meines muss sogar die Wimperntusche entfernen, geht in einem Wisch). Dies geschieht entweder mit einer Reinigungsmilch weil sie Lipide enthält oder mit einem Waschgel, das mangels höherem Anteil an Lipiden einen höheren Anteil an Tensiden enthält.
Merke aber: Je weniger Tenside enthalten, bzw. je geringer die Höhe an WAS (waschaktive Substanzen) desto milder ist das Produkt. An Tensiden sind die milden "Zuckertenside" zu empfehlen wie Decylglucosid oder Kokosglucosid.
Im Idealfall würde richtige Gesichtspflege so aussehen: (jeweils dem eigenen Hauttyp entsprechend)
* Abends: Reinigungsprodukt + Gesichtswasser + Pflege (plus bei Bedarf oder als Verwöhnritual - ein paar Tropfen hochwertiges Öl)
* Morgens: Reinigung mit Wasser genügt (plus Gesichtswasser) plus Pflege.
Ist doch gar nicht so kompliziert, oder?
Warum ein Gesichtswasser?
Gute Frage, aber auch "warum nicht"

Verwendet man ein Hydrolat, wirken diese gleichzeitig auch erfrischend und man kann sie auch gut nach Hauttyp und Wirkungsweise auswählen (Konservierung nicht vergessenDie wässrigen Tonics konditionieren die Haut in der Weise, dass sie noch aufnahmefähiger wird. Zu diesem Zweck enthalten sie Penetrationsverstärker, beispielsweise D-Panthenol oder auch (Leer-)Liposomen auf Phosphatidylcholin-Basis. Letztere sind vor allem bei Hautunreinheiten und bestehender Akne sehr gut wirksam. Je nach Zusammensetzung werden Tonics auch für den Abschluss einer Reinigung oder für die leichte Reinigung und Erfrischung während des Tages genutzt.

Reinigung bei Hautproblemen:
Häufig wird versucht, fettige oder glänzende Haut, Pusteln und ähnlichen Hautproblemen mit verstärkter Hautreinigung und Peelings zu therapieren. (Z. B.: Aggressive Reinigungsmittel mit einem hohen Wert an WAS, Seifen (auch selbst gesiedet), häufige mechanische Peelings und Mikrofasertücher, Mizellenwasser, etc.) Erfolg wird damit dauerhaft keiner erzielt, im Gegenteil, damit wird der Säureschutzmantel und die Mikroflora der Haut zerstört.
Merke:
Es ist nämlich sehr oft umgekehrt: Durch langfristig falsche Reinigung kommt es erst zu Hautproblemen. (Hier z. B. eine sehr gute Erklärung von Heike was genau "Mizellenwasser" ist: klick. Ich habe gerade vor ein paar Tagen als Service von einem Shop ein Rezept für ein Mizellenwasser erhalten, es war noch dazu angereichert mit jeder Menge an Wirkstoffen, man reinigt damit und es bleibt auf der Haut


Wie unsere Haut beschaffen ist - ein kleines Wunderwerk:
Der Säureschutzmantel oder auch auch Hydrolipidfilm genannt, bedeckt die Hautoberfläche, er fungiert als Abwehrsystem und trägt zum Schutz bei. Der Hydrolipidfilm ist eine Emulsion aus Fett+Wasser, (oder wie im Buch steht aus "epidermalen Lipiden"), aus NMF's (=natürliche Feuchtigkeitsfaktoren) sowie aus Talg- (ein fettreiches Sekret) und Schweißsekreten.
Der Säureschutzmantel - sofern intakt - fungiert wie ein Schutzschild: Einerseits sorgt er dafür, dass Feuchtigkeit nicht aus der Haut austritt und andererseits bewirkt er, dass Krankheitserreger sowie Schadstoffe aus der Umwelt, die Allergien, Infektionen oder Reizungen hervorrufen können, nicht in die Haut eindringen.
Der Ph-Wert des Säureschutzmantels beträgt wie wir wissen PH 5,5, ist also sauer. Da sich Viren und Bakterien nur in Milieus mit neutralem oder basischem ph-Wert wohlfühlen, wirkt der leicht saure ph-Wert der Haut somit als natürlicher Abwehrmechanismus. Nur bestimmte Bakterien können in diesem sauren Milieu überleben und es bildet sich die sogenannte "Mikroflora" (Mikroorganismen) auf der Haut, vergleichbar mit einem Ökö-System, in dem ein empfindliches Gleichgewicht herrscht.
Funktionen des Säureschutzmantels (=Hydrolipidfilm) und der Mikroflora:
Mikroorganismen
* tragen zur Senkung des Ph-Wertes bei,
* hemmen das Wachstum schädlicher Keime,
* verstoffwechseln alle Nährstoffe, die an der Hautoberfläche zur Verfügung stehen und erschweren dadurch anderen Keimen das Wachstum.
Säureschutzmantel
* puffert die Wirkung von Säuren und Basen ab (siehe 1),
* verhindert, dass Schadstoffe über die Haut aufgenommen werden,
* wirkt als Gleitmittel gegen Oberflächenreibung,
* reguliert den transepidermalen Wasserverlust.
(1) Ein Puffer ist ein Stoffgemisch, dessen pH-Wert sich bei Zugabe von einer Säure oder einer Base wesentlich weniger stark ändert, als dies in einem ungepufferten System der Fall wäre. (Quelle: Wikipedia, "Puffer")
Der Säureschutzmantel und der pH-Wert werden aber auch durch physiologische Vorgänge in der Haut beeinflusst. Das heißt, dass nicht nur externe Faktoren (wie Tenside) eine Rolle spielen, sondern auch Hautprobleme, wie z. B. Mangel an essentiellen Fettsäuren (2) oder Rosacea.
Ein bereits beeinträchtigter Säureschutzmantel
Eventuell liegt schon ein Mangel an essentiellen Fettsäuren (2) vor. Die fettarme-trockene Haut hat z. B. nur eine minimale Talgsekretion, die Lipidkomponente im Säureschutzmantel ist verringert. Durch falsche (nicht dem Hauttyp entsprechende), bzw. aggressive, schäumende, Reinigungsprodukte wird der Säureschutzmantel noch mehr beeinträchtigt. Typisch lt. Frau Barrett-Hill ist dabei das Auftreten von Rosacea, da die Beeinträchtigung des Säureschutzmantels ein wesentlicher verstärkender Faktor dieses Hauptproblems ist. Es kann zu Brennen, Juckreiz und Überwärmung der Haut kommen. Außerdem kann es zu Hyperkeratose (starke Verhornung) kommen, zu trockenen Komedonen, Neigung zu Narbenbildung und Bindegewebsrissen. Ein erhöhter Wasserverlust (TEWL) in der Haut hat wiederum Auswirkungen auf die Aktivitäten der epidermalen Enzyme, es kommt zur Barrierestörung. Der höchste Schweregrad ist Folge einer Langzeitschädigung des Säureschutzmantels, die Säureschutzmantel produzierenden Systeme können die Störung nicht mehr ausgleichen. Es kann zu dauerhafter Rötung und zu Immunreaktionen kommen, die Entstehung sekundärer Infektionen wird begünstigt.
Eventuelle Anzeichen bei beeinträchtigtem Säureschutzmantel:
* Rötung auf Wangen, Hals und Mitte Gesicht (Schmetterlingsmuster), Pigmentierungsstörungen
* Überwärmung, Jucken und Trockenheit der Haut
* Spider Nävi (Gefäßspinne) auf Hals, Schläfen, Dekolleté und Wangen
* Gleichzeitiges auftreten von Hyper- und Hypopigmentierung
* schuppige Areale, Milien
(2): Essentielle Fettsäuren: ganz wichtig

Sind Bausteine des Körperfettes, Fettsäuren, die der menschliche Körper nicht selbst herstellen kann und auf deren Zufuhr durch Nahrung er unbedingt angewiesen ist. Zu den wichtigsten essentiellen Fettsäuren gehören z. B. die Linolsäure (Omega 6 Fettsäure) sowie die Alpha-Linolensäure (Omega 3 Fettsäure), beide sind ungesättigte Fettsäuren.
Kleiner Tipp: Linol- und Alpha-Linolensäuren kann man mittels entsprechender Öle (3) auch topisch, direkt auf die Haut auftragen, tropfenweise z. B. abends, es wird direkt in Zellmembranen etc. eingebaut. Dadurch verringert sich der TEWL* (siehe unten Buch Seite 192, EFAD)
(3) Öle mit viel
*Linolsäure: Traubenkern-, Distel-, Nachtkerzen- und Kaktusöl haben den meisten Anteil, Mohnöl, Walnuss-, Hanföl haben nicht sehr viel weniger Anteile (sind je nach Charge ja immer verschieden), Weizenkeimöl.
*Alpha-Linolensäure: Sehr viel hat z. B Sacha Inchi und Perillaöl, weiters Holunder-, Wildrosen-, Passionsfrucht-, Cranberrysamenöl, moderat Johannisbeersamenöl
*Gamma-Linolensäure: Borretsch-, Johannisbeersamen- und Nachtkerzenöl
Probiert mal eines dieser Öle abends pur auf die Haut zu geben und fühlt mal wie sich die Haut am nächsten Morgen anfühlt

Erklärung Begriffe:
* TEWL, transepidermaler Wasserverlust (Verdunstung über die Haut):
Hier ist der Lipidverschluß des Stratum corneum von großer Bedeutung, verringert den TEWL. Der Wassergehalt der Haut bestimmt das Aussehen der Haut und hat Auswirkung auf die Enzymaktivität. (Quelle: Buch Seite 211)
** Lipidverschluss:
Sind mikroskop. kleine Schichten aus Lipiden, die sich im Stratum corneum anlagern und den Lipidverschluss bilden, sind eine Barriere für Wasser und Mikroorganismen. Ist der Lipidverschluß gestört, erhöht sich der TEWL. (Buch Seite 201)
** Phospholipide:
sind Hauptbestandteile der Zellmembranen, ermöglichen Transport von Nähr- und Abfallstoffen und Ionen, sowie die Regulierung des Zelltugors. (Buch Seite 207) (Anmerkung: verminderter Turgor = die Haut wirkt welk, nicht prall)
Das Phosphatidylcholin ist der prominenteste Vertreter der Phospholipide und wird industriell durch aufwändige Extraktion aus Lecithin isoliert. Anders als das ursprüngliche Lecithin bildet Phosphatidylcholin in Verbindung mit Wasser spontan zellähnliche Körper aus, deren Membranen wie bei den natürlichen Zellen doppelschichtartig aufgebaut sind. Diese Hohlkörper werden Liposomen genannt und sind nur unter der Vergrößerung eines Elektronenmikroskops sichtbar.
- sie unterstützen die Physiologie der Haut
- sie entsprechen der Chemie körpereigener Stoffe
- sie bauen aus Sicht der Physik die gleiche Struktur (Doppelmembranen) wie die Haut auf
- sie sind starke Wirkstoffe
(Quelle: Dermaviduals.de)
Hier noch 2 Link`s zu "Dermaviduals", starke Wirkung - Phospholipide in Kosmetika und Phospholipide - Multitalente
Hier noch eine kleine Übersicht, was alles sich über den Tag auf unserer Haut sammelt (Auszug aus Dermaviduals.de, Gesichtsreinigung)
Die Liste der Stoffe, die tagtäglich auf der (Gesichts-)Haut abgeladen werden, ist lang:
*Körperliche Stoffe: Hautbarrierestoffe, Hautzellen, Krusten, Drüsensekrete wie Sebum, Schweiß, Ohrenschmalz, Tränenflüssigkeit und Speichel. Kurioserweise gehören sie in der Mehrzahl zum Selbstreinigungsprogramm der Haut.
*Natürliche Umweltstoffe: Mineralienstäube (Tonerde, Kieselsäure, Salze etc.), pflanzliche Stoffe (Kohlenwasserstoffe, Fette, Wachse, Pollen etc.), peroxidierte Kohlenwasserstoffe wie z. B. Peroxyacetylnitrat (PAN).
*Reaktionsprodukte von Hautbestandteilen mit Gasen wie Sauerstoff, Ozon, Stickstoffoxiden, Schwefeldioxid und Chlor.
*Anthropogene Stoffe: Stäube und Aerosole (Haus-, Straßen und Industriestaub inklusive Rußpartikel und polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe), Arbeitsstoffe, Haushaltsstoffe und Modeschmuckbestandteile (Silber- und Nickelverbindungen).
*Körperpflegeprodukte: Fettstoffe, Wirkstoffe, Pigmente (aus Lippenstift, Make-up, Camouflage, Pudern und mineralischem Sonnenschutz), Farbstoffe (Wimperntusche, Kajalstifte) und Hilfsstoffe aller Art.
*Mikroorganismen und deren Abfall- und Stoffwechselprodukte inklusive Enzyme und Fettsäuren.
Zum Abschluß noch ein paar Worte zu Peelings:
Die meisten peelen mit der Vorstellung von einer intensiven Reinigung und darauf folgender Regeneration der Haut, die auch dem "Anti-Aging" Dienst. Lt. Dermaviduals weisen jedoch Langzeitbeobachtungen auf eine Erhöhung der Empfänglichkeit der Haut für Rosacea und periorale Dermatitis hin, wenn lange und wiederholt chemische Peelings mit Fruchtsäuren durchgeführt wurden. "Leichte" Peelings können mittels Heilerde erfolgen. Je tiefer mittels Peeling gereinigt wird, umso mehr leidet zwangsläufig auch die Hautflora alias Mikrobiom, dies sollten wir uns bei der Wahl des Reinigungsmittels und der Häufigkeit der Anwendung immer vor Augen halten.
Quellen:
* Buch "Advanced Skin Analysis", Florence Barrett-Hill (erhältlich bei Dermaviduals.de); Seiten 107, 130 bis 137, 192, 194, 207
*Das meiste Wissen beziehe ich aber aus Heike Käsers Büchern, von Olionatura und Heikes Beiträgen hier im Forum Rührküche

Ich hoffe, die Eine oder Andere kann sich hiervon etwas mitnehmen


Hier übrigens noch ein ganz einfaches Rezept für eine Reinigungsmilch, Excel-Rechner anbei: Da eine Reinigungsmilch ein Rinse-off-Produkt ist, nicht auf der Haut verbleibt, braucht sie nicht viel an Zutaten

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