Potentieller Kakaobutter-Verarbeitungstrick

Fettsäurespektren, Jodzahlen und Fettbegleitstoffe – hier werden Öle, Buttern und Wachse en detail gewürdigt.

Moderator: Heike

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pflanzenölscheich
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Potentieller Kakaobutter-Verarbeitungstrick

Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

Liebe Schokoladedompteusen und -dompteure, oh Ihr Bezwinger der Kakaobutter! :)

Besagte Butter reagiert, wenn ich das richtig verstanden habe, sehr sensibel auf übermäßige Erhitzung und verweigert bei Missachtung dieser Bedingung das Festwerden. Die Vorgeschichte: Ich habe derzeit eine angenehm wirkende Rezeptur mit 23,4% Kakaobutter und 2,8% Sheabutter, die bei derzeitiger Zimmertemperatur eine eher feste Salbe wird, die bei Hautkontakt (Kakaobutter lässt grüßen) hurtig schmilzt. Zu dosieren (und auch zu entnehmen) wäre die Mixtur hingegen einfacher, wenn sie flüssig wäre und ich sie daher in eine (Spritz-)Flasche füllen könnte.

Daher frage ich mich und nun Euch, ob ich durch gezieltes Aufschmelzen der Kakaobutter mit den anderen festen Zutaten auf dem Herd (und damit deutlich höherer Temperatur als die vorgeschriebenen 35 Grad) dem Festwerden ein Schnippchen schlagen könnte. Gleichzeitig ist mir noch unklar, ob ich durch die entsprechend höhere Erhitzung einen wertvollen Inhaltsstoff der Kakaobutter zerstöre.

Für sachdienliche Hinweise dankt Euch, jubelt, grüßt und winkt
Harald - schmelzpünktlicher Pflösch :kicher:

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Heike
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Ungelesener Beitrag von Heike »

Dieses Nicht-fest-Werden bei höheren Temperaturen hat meines Wissens etwas mit den kristallinen Strukturen der Fettsäuren zu tun. Typisch für Kakaobutter ist ein sehr kleiner Schmelzbereich, das heißt: die Butter bekommt Hautkontakt und schmilzt sehr plötzlich. Sheabutter hingegen hat einen breiteren Schmelzbereich und wirkt dadurch salbenartiger.

Wenn man die Butter zu stark erhitzt oder zu schnell herunterkühlt, kommt es zu Störungen in den Kristallgittern der höher schmelzenden Fettsäuren. Es gibt verschiedene Modifikationen dieser Strukturen, die unterschiedlich stabil sind. Bei falscher Behandlung (wie beschrieben) tendieren die Kristallgitter zu den instabileren Formen, sodass die niedriger schmelzenden Fettsäuren nicht mehr zuverlässig in sie eingebunden werden: die Kakaobutter wird nicht mehr fest.

Lange Rede, kurzer Sinn: ich könnte mir vorstellen, dass ein gezieltes Erhitzen das Endprodukt verändert. Vielleicht führt aber auch eine andere Strategie zum Ziel. Was ist in flüssiger Schokolade? :lupe: Kokosöl? Fraktioniertes Palmöl? Nun gut, dann verändert sich auch die Zusammensetzung. Das willst Du vermutlich nicht.

Geht meine Antwort in die richtige Richtung? :-)
Liebe Grüße
Heike

Mania

Ungelesener Beitrag von Mania »

M.E. müsste das funktionieren, zumindest bis zu einer Art (aus Tube herausdrückbarer) Paste, falls das ausreicht. Du musst die Kakaobutter auf ca. 42°C erhitzen, vielleicht 43, wenn Du sicher sein willst. Dann gehen die Kristallgitter schon kaputt. Nun musst Du die Bildung neuer, gleichmäßiger Gitter verhindern, es gibt m.E. sechs verschiedene Gitterarten die bei unterschiedlichen Temperaturen entstehen. Du musst nun also die Temperatur ganz schnell absenken und bei dieser Temperatur halten.
Ich meine, das war etwas knapp über 27°C. 30°C müsste schon zu heiß sein.

Nicht aber, dass Du auf die Idee kommst, die Kakaobutter mit 27°C warmem Wasser Bad aufschmelzen zu wollen, das klappt nämlich nicht.

Die Angaben für Sheabutter kann ich Dir leider so genau nicht geben, ich denke, Du müssest an Deiner speziellen Sorte das Experiment wagen. Um gute Resultate zu erzielen, würde ich immer mit der gleichen Marke Kakaobutter experimentieren, d.h. womöglich die aus dem Konfiseriebedarf nehmen, damit du reproduzierbare Ergebnisse bekommst.

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Pialina
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Ungelesener Beitrag von Pialina »

Hallo Pflösch,
ich habe neulich Kakaobutter kalt gemörsert... zuerst hatte ich eine kleine Menge Sheabutter mit einem Öl, Kieselsäure und Lipodermin (für Augenbutter) im Mörser ziemlich weich gerieben. Es sah mir zu flüssig aus, also habe ich zum Schluss 4 Pellets Kakaobutter hineingegeben und mit dem Mörser ließen sie sich tatsächlich zerkleinern und in die "matschige Pampe" einarbeiten. Anscheinend reichte die durch das Reiben entstandene Temperatur bei dieser Winzmenge zum Schmelzen der Kakaobutter.
Das Ergebnis ist zartschmelzend und gleichmäßig geworden. :)

Man könnte vielleicht auch den Mörser kurz vor der Verarbeitung in ein warmes Wasserbad stellen, so dass sich die Wände des Mörsers nur sehr leicht anwärmen. Noch einfacher auf diese Weise zu schmelzen ist vielleicht auch pulverisierte Kakaobutter, könnte ich mir vorstellen.

Lieben Gruß,
Pialina
Liebe Grüße,
Pialina

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pflanzenölscheich
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Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

@Heike: Stimmt, die Rezeptur soll unverändert bleiben, zumal die Kakaobutter bei meinem Hautbild einen besänftigenden Einfluss hat und ich auch ihren Gehalt an Palmitin- und Stearinsäure nicht missen möchte. Wenn ich direkt nach der Zubereitung die noch flüssige Mischung auftrage, wirkt sie ebenso wie die auskristallisierte. Ideal wäre also, wenn ich einen Weg hätte, die Kristallisation für die typische Nutzungsdauer von ein paar Wochen zu verhindern - nicht, dass sie sich dann irgendwie von selbst repariert und ich plötzlich ein steifes Gebräu in meiner Flasche habe, die unter diesen Umständen lieber ein Tiegel oder eine Tube gewesen wäre...

@Mania: Gut, wenn ich Dich richtig verstehe, verhindert das schnelle Abkühlen, dass sich die Kristallstruktur im Laufe der Zeit regeneriert. Sintemal der entscheidende Einfluss auf die Konsistenz besagter Rezeptur von der Kakaobutter kommt, müsste es also klappen. Ich sage herzlichen Dank, werde es testen und berichten.
:-a

@Pialina: Gibst Du mir da Ratschläge, wie ich die Kakaobutter noch sanfter schmelzen könnte? Ich bin aber ein Grobian! Ich will sie unsanft schmelzen. :kichern:

Herzlichen Dank für Eure Antworten! :bussi:

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Pialina
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Ungelesener Beitrag von Pialina »

pflanzenölscheich hat geschrieben:@Pialina: Gibst Du mir da Ratschläge, wie ich die Kakaobutter noch sanfter schmelzen könnte? Ich bin aber ein Grobian! Ich will sie unsanft schmelzen.
Ach, wie peinlich, ja, ja, man sollte keine Beiträge schreiben, wenn man Migräne hat, so wie ich gestern - der klare Verstand scheint darunter zu leiden. :brilleputzen: :verlegen: Sorry- und ich nehme meinen unsachdienlichen Hinweis zurück, er darf gerne gelöscht werden.
Tatsächlich ging meine Überlegung nur in Richtung "Kakaobutter noch sanfter schmelzen, um Inhaltsstoffe zu schonen" - und das war ja nicht gefragt.

Zum Ausgleich habe ich ich gerade gegoogelt, ob ich nicht etwas sachdienlicheres finde und habe eine Firma gefunden, die Kakaobutter vorwiegend flüssig ausliefert. Vielleicht könnte man damit andere Ergebnisse erreichen, irgendetwas muss ja drin sein, das diese Kakaobutter flüssig hält- sie ist Bio-zertifiziert, keine Sorge.

LG,
Pialina
Liebe Grüße,
Pialina

Manuka-Bee

Ungelesener Beitrag von Manuka-Bee »

Ich weiss nicht genau wie es mit Kakaobutter aussieht, aber Shea beispielsweise, aus persöhnlicher Erfahrung, wird sogar härter als zuvor, wenn sie stark erhitzt wird, es dauert nur länger, bis sich das Fett auskristallisiert hat.
Ich habe Shea bei 160°C im Ofen sterilisiert, weil ich es wissen wollte. :-) Nun, die Butter wurde steinhart, aber erst nach 2-3 Tagen...

Manuka-Bee

Ungelesener Beitrag von Manuka-Bee »

Pialina hat geschrieben: [...] irgendetwas muss ja drin sein, das diese Kakaobutter flüssig hält- sie ist Bio-zertifiziert, keine Sorge.
es könnte sich dabei um eine fraktionierte Kakaobutter handeln... :-)

Mania

Ungelesener Beitrag von Mania »

@pfösch
du musst schnell abkühlen, um ganz besonders wenig Kristalle zu erzeugen, die für Stabilität zuständig sind. Diese werden in den höheren Temperaturbereichen ausgebildet. Du müsstest die Kakaobutter also in einem Temperaturbereich zur Aushärtung bringen, in dem diese eben nicht entstehen, sondern nur instabile Strukturen.
Soweit ich mich erinnere, müsstest Du also bei ca. 27°C die Aushärtung erfolgen lassen.

haselmaus
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Ungelesener Beitrag von haselmaus »

Manuka-Bee hat geschrieben:Ich habe Shea bei 160°C im Ofen sterilisiert, weil ich es wissen wollte. :-) Nun, die Butter wurde steinhart, aber erst nach 2-3 Tagen...
Bei den Temperaturen ist das Endprodukt aber nicht mehr dieselbe Sheabutter, die du in den Ofen gestellt hast. Auf der anderen Seite kommt man Sporen nur mit feuchter Hitze bei... als Experiment also sicherlich nicht zu verachten - aber für den Rühraltag wohl keine brauchbare Methode.

Manuka-Bee

Ungelesener Beitrag von Manuka-Bee »

Hallo haselmaus!
Na klar, wenn man sie verwenden will, braucht man sie zu autoklavieren und trocken sterilisieren, falls man auf so etwas steht, ich verwende keine in der Pflege, war also nur ein Experiment :-)
Obwohl, soweit man Formularium glaubt, wird die Technik auch in der Praxis angewandt, von wem auch immer...

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Heike
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Ungelesener Beitrag von Heike »

Mein Pflösch, Deine Frage hat mich beschäftigt, weil ich die Erfahrung kenne, dass Badepralinen und Body Melts früher oft nicht mehr völlig durchgehärtet sind, und weil ich weiß, dass die Temperatursensibilität Fakt ist und nachweisbare physikalische Ursachen hat. Interessanterweise sind mir jedoch später alle Body Melts gelungen (ich hatte ein spezielles Verfahren mit Erhitzen der Buttern im Ofen, späterem Zusammengießen mit dem Wachs auf dem Herd), und in einer sehr schönen Lippenstiftrezeptur kommt die Kakaobutter in eine Fettmasse, die bestimmt 80 °C hat. Ich liebe diesen Lippenstift (auch wenn er immer eine Woche nachhärtet).

Mich ließ die Frage nicht los, und ich habe tatsächlich durch entsprechende Hinweise in der Literatur Lösungen gefunden. Sie sind eben frisch in meinem Blog eingestellt. :-)
Liebe Grüße
Heike

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pflanzenölscheich
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Ungelesener Beitrag von pflanzenölscheich »

Hm, liebe Heike, ich habe Deinen Bericht gelesen und stelle fest, dass ich in meiner gegenwärtigen Herstellungspraxis Deine Tipps nicht befolge, und doch härtet meine Kakaobutter artig zur gewünschten Konsistenz aus. Meine Rezepturen enthalten alle Wollwachsalkohole, weshalb ich immer das Aufschmelzen auf dem Herd durchführen muss, um die nötige Temperatur zu erreichen. Letztens sah das so aus:

13g Öle, 2,7g Wollwachsalkohole und 2,1g Sheabutter werden auf dem Herd geschmolzen. Das 100ml-Becherglas wird vom Herd genommen und 11,6g Kakaobutter aus einem 50ml-Becherglas in das erste Glas geschüttet. Die Kakaobutter löst sich rasch auf, und ich rühre alles kurz mit dem Milchschäumer. Es ist deutlich zu merken, dass der Inhalt des 100ml-Becherglases an Temperatur verloren hat und nun fast schon handwarm ist. Nach den nun Schritt für Schritt folgenden Zutaten rühre ich gewohnheitsmäßig immer ein bisschen durch. Habe ich so im Endeffekt das beständige Kaltrühren simuliert, von dem Du schreibst? :lupe:

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Heike
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Ungelesener Beitrag von Heike »

pflanzenölscheich hat geschrieben: und stelle fest, dass ich in meiner gegenwärtigen Herstellungspraxis Deine Tipps nicht befolge …
Rühren bis kurz vor dem Erstarrungspunkt verhilft zur Bildung stabiler Modifikationen. Du tust dies: keine punktuelle Hitze, weil Du das Becherglas vom Herd ziehst und die Butter in die geschmolzene Masse gibst – Abkühlung erfolgt hier sehr schnell. Rühren mit dem Milchschäumer, was zu einer weiteren raschen Abkühlung führt und dafür sorgt, dass einige stabile Kristalle noch intakt bleiben und »impfen«. »Rasch« meint aber eben nicht: hohe Hitze und dann ab ins Tiefkühlfach. In der Schokoladenfabrikation wird auch gerührt und kontrolliert nach einer bestimmten Temperaturkurve abgekühlt – es sind sehr große Massen, in unserem Becherglas vollzieht sich das (zum Glück) einfacher.

Höheres Erhitzen ab 35 °C verzögert immer die Wiedererhärtung, aber wir können durch entsprechende Maßnahmen dafür sorgen, dass sich der Schmelzpunkt nicht senkt (ist mir früher passiert). Meine Body Melts und meine Lippenstifte mit Kakaobutter brauchen eine Woche bis zur erwünschten Härte, aber dann sind sie hart.

Wolltest Du aber im ersten Thread nicht etwas ganz anderes?n :lupe: Dann solltest Du alle genannten Tipps tunlichst nicht verfolgen. :kichern:
Liebe Grüße
Heike

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Heike hat geschrieben:Wolltest Du aber im ersten Thread nicht etwas ganz anderes? :lupe: Dann solltest Du alle genannten Tipps tunlichst nicht verfolgen. :kichern:
Stimmt, aber ich danke Dir für Deine Nachforschungen und Erklärungen, weil ich es ja sonst vielleicht unabsichtlich richtig gemacht hätte. :kichern:

Allerdings war das eher in der Übergangszeit im Frühherbst ein Thema, wo die Fettsäuresättigung meiner Produkte noch keine salbenartige (und damit tubentaugliche) aber bereits eine nicht mehr völlig fließfähige (tubenflaschenuntaugliche) Konsistenz ergab.

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Ungelesener Beitrag von Heike »

pflanzenölscheich hat geschrieben:Allerdings war das eher in der Übergangszeit im Frühherbst ein Thema, wo die Fettsäuresättigung meiner Produkte noch keine salbenartige (und damit tubentaugliche) aber bereits eine nicht mehr völlig fließfähige (tubenflaschenuntaugliche) Konsistenz ergab.
Nachdem, was ich gelesen habe, sind Schmelzpunkte zwar deutlich niedriger möglich, wenn man zu stark erhitzt, aber das lag alles noch im Bereich des Bei-Zimmertemperatur-Festen. :gruebel:
Liebe Grüße
Heike

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