Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle

Fettsäurespektren, Jodzahlen und Fettbegleitstoffe – hier werden Öle, Buttern und Wachse en detail gewürdigt.

Moderator: Heike

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Heike
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Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle

Ungelesener Beitrag von Heike »

Seit ein paar Tagen liegt es hier und ich hatte Zeit, ausgiebig zu schmökern. Mein persönliches Gesamturteil (und bitte auch nur als solches nehmen): durchwachsen. :-) Mir ist bewusst, dass ich das Buch natürlich mit dem Hintergrund der letzten 3 Jahre lese, in denen ich sehr viel über Öle gelernt habe. Ohne diesen Hintergrund würde mein Urteil sicher anders ausfallen (auch weil ich manche Widersprüche nicht wahrnehmen würde):

Zunächst die puren Fakten:

Bindung/Typographie: in guter Qualität mit festem folierten Einband, gestrichenes Papier, angenehm im Griff, wirkt qualitativ hochwertig, farbig gedruckt, ordentlicher Zeilenabstand und gut zu lesen. Im Anhang fotografisches Material. Farbige Gliederung durch hierarchisierte Überschriften, die das Auge recht gut leiten. Orthografisch erfreulich korrekt. Kleinere Satzfehler. Fachsprachlich.

Inhaltsverzeichnis: zeigt die klare Gliederung nach einem kurzen einleitenden Abriss über die Definition »Fette und Öle«, historische Informationen, Gewinnungsarten, Vor-/Nachteile kalt gepresster/raffinierter Öle, physikalische/chemische Kennzahlen, Haltbarkeit, Lagerung usw.,
dann folgen 95 Öle, bekannte und sehr seltene, von deren Existenz ich nichts ahnte. :-D Genannt werden botanische Aspekte, Anbau, Gewinnung, organoleptische Details (Geruch, Farbe, Geschmack), Inhaltsstoffe (hier tabellarische Übersichten) und physikalische/chemische Details, Haltbarkeit, Besonderheiten des Öls, Einsatzgebiete und mögliche unerwünschte Wirkungen.

Inhaltliche Qualität
+
Das Literaturverzeichnis ist erfreulich und zeigt viele auch aktuelle Forschungsarbeiten aus den letzten Jahren, zum großen Teil aus anerkannten Fachpublikationen. Da ich selbst viel recherchiere, sind mir einige bekannt, auch Autoren, teilweise die exakten Quellen, die ich auch nutze.
Die Einzelportraits zeigen Kennzahlen und Daten in angenehmer Übersicht und gestatten schnellen Zugriff auf gewünschte Zusammensetzung der Sterole, Tocopherole oder Fettsäuren. Bei der Anwendung der Öle werden pharmazeutische, volksmedizinische, kosmetische, industrielle, kulinarische Aspekte da berücksichtigt, wo die Quellen Aussagen zulassen. Im Text selbst finden sich Quellenverweise, die z. T. deutlich machen, dass es eine Sammlung an Aussagen ist.
Die Einleitung fasst kurz und knackig wichtige Aussagen zu Ölen zusammen.
Teilweise hochinteressante Informationen, die sehr detailliert sind – leider nicht durchgängig, siehe unten. Dennoch sehr erfreulich wegen der Vielzahl an genutzten Quellen; in dieser Form einmalig.


Vieles bleibt sehr oberflächlich: Aussagen werden gesammelt, aber nicht gewichtet und aus Sicht der Autoren eingeschätzt (was ich sehr schätzen würde, da nicht alle Quellen gleichermaßen fundiert sind).

Es finden sich leider einige fachliche Fehler, z. B. die Aussage, Avellanaöl enthalte Nerzöl, das ansonsten nur in tierischen Ölen enthalten sei. Tatsächlich gemeint ist Palmitoleinsäure, die tatsächlich nur in wenigen pflanzlichen Ölen (u.a. auch Macadamianussöl, Sanddornfruchtfleischöl, Avocadoöl) enthalten ist – und eben das Nerzöl so begehrt gemacht hat.

Ganz großer Fauxpax, der in einem Fachbuch wirklich nicht vorkommen sollte, ist, dass Vitamin C in der Einleitung neben Vitamin A und E zwar kurz, aber genannt wird. Während die Tocopherole detailliert in ihrem Vorkommen und ihrer Wirksamkeit (auch abhängig von ihren Formen) ölbezogen beschrieben werden, liest sich der Beitrag über Retinol und seine Derivate (Vitamin A) wie ein dermatologisches Wirkstoffportrait: es werden Einsatzkonzentrationen von diversen Derivaten genannt und ihre Wirkung bei topischer Applikation, sprich wenn es aufgetragen wird. In dieser Form werden jedoch isolierte Derivate eingesetzt. Hier bleibt der Bezug zu seinem Vorkommen im Öl ohne Bezug.
Fachlich unmöglich ist der halbseitige Beitrag zu Vitamin C, das ausschließlich als kosmetische, isolierte Substanz beschrieben wird (»In kosmetischen Formulierungen wird es daher in veresterter Form stabilisiert als Mg-Ascorbylphosphat, oder auch auch als -palmitat eingesetzt«).
Entsprechend fehlen dann im gesamten Buch Ölanalysen, die Vitamin C konkret nachweisen, was einen offenen Widerspruch darstellt. Es gibt sie nicht, weil Öle mit einem Restwassergehalt von teilweise nur 0,1 % naturgemäß keine wasserlöslichen Vitamine in nennenswerten Mengen aufweisen, wie die deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft und die Fakultät der Ernährungswissenschaften der Uni Hohenheim einhellig bestätigten. Auch Frau Dr. Groß-Lannert, Chemikerin mit Schwerpunkt Pflanzenöle sagte mir, sie habe in ihrer gesamtem beruflichen Laufbahn nie eine Analyse mit ausgewiesenen Werten an wasserlöslichen Vitaminen gesehen. Aussagen in der Literatur würden pauschal Werte der Ganzfrucht auf das Öl übertragen.
Im konkreten Fall gibt es (zweimal erinnere ich mich) eine pauschale Aussage über Vitamin B unter »Weitere Inhaltsstoffe«, die Quelle ist Kerschbaum, das ist der Projektbericht der Landesanstalt für Pflanzenbau Forchheim, den ich ausgedruckt hier liegen habe. Da gibt es interessante Dinge zu lesen, vieles ist aber aus eher populärwissenschaftlichen Quellen und Internetseiten entnommen, entspricht also keinem wissenschaftlichen Standard.
Kosmetische Aussagen lesen sich oft sehr allgemein, ohne die genauen Wirkmechanismen deutlich zu machen (Öl X wirkt hautglättend und wird gerne in XY eingesetzt, auch in der Haarpflege … usw.).

Es gibt bei Nachtkerzenöl eine Gegenüberstellung von Werten an Kaffeesäureestern, die je nach Extraktionsmethode schwanken. Als Quelle wird eine kommerzielle Seite angegeben, die u. a. dieses Öl verkauft. Ich habe nachgehakt: sie sind einem Mail entnommen. Studierende brauchten Öl für einen Versuch und erhielten es von der Firma zur Verfügung gestellt mit der Option, man möge im Gegenzug die Ergebnisse veröffentlichen dürfen. Diese kamen per Mail, offensichtlich nicht (?) als Teil einer Dissertation – zumindest konnte man mir keine konkrete Quelle nennen und wusste nicht mehr. Ich habe -> diese wissenschaftliche Arbeit der besagten Uni gefunden, allerdings finde ich im Abstract nicht die entsprechenden Aussagen (allerdings verstehe ich auch nicht viel davon :-D). Gibt es dort den englischen Fachbegriff für CO2-Extraktion? Ich meine, das wäre was mit »supercritical« usw. … Dennoch: ich würde mir hier einen Hinweis entweder auf die korrekte Quellenangabe wünschen (wenn es eine Diss oder ähnliches gibt) oder den auf die Herkunft, unter Vorbehalt zitiert. Der Verlag ist Springer und nicht Gräfe und Unzer (nichts gegen letzteren, aber das Zielpublikum ist ein anderes).

Fazit: Qualitativ hochwertig gebundenes Lexikon, wie ein solches zu nutzen und wie ein solches naturgemäß begrenzt in der Darstellung von vertiefenden Details. Für den Einsteiger viel Lesefutter, für den Insider ein praktisches Nachschlagewerk (das ist wirklich hilfreich) mit Schwächen und wenig wirklich Neuem (von Ölen abgesehen). Ich bereue den Kauf dennoch nicht; es ist ein hilfreiches Buch und hat den Vorteil einer Fülle an Quellen, die ich teilweise gerne entdecken würde.

Interessant für mich sind einige Details: Mangobutter wird also nur raffiniert (?), Marulaöl soll dunkelgelb bis orange sein und »fruchtig, fettig, floral, holzig, süß« riechen (was habe ich denn da von Herrn Thome, das kaltgepresst – ja, ich weiß, ist nicht eindeutig – und geruchlos ist – und höchstens hellgelb?) … und ich bin auf Quellen gestoßen, die ich gerne lesen würde, auch um herauszufinden, wie das nun mit dem Lichtschutzfaktor von Avellanaöl ist (der in einer Quelle benant wird). Doch, da ist eine Menge an Anregungen drin.
Liebe Grüße
Heike

Regina

Ungelesener Beitrag von Regina »

Ich hab das Buch auch und bin sehr zufrieden damit. Es ist ein schönes Lexikon, wie der Name schon sagt.

Die Farb- und Geruchsbeschreibung des Marulaöls ist mir noch nicht aufgefallen (ich lese immer ein bisschen, wo ich gerade aufschlage), ich hab derzeit auch das von Thome, nahezu farb- und geruchlos, aber ich bin sicher, du fragst dort nach, nicht wahr, Heike.

Kaltgepresst heisst ja nicht, dass es nicht anschließend raffiniert wurde.

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Rosamunde
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Ungelesener Beitrag von Rosamunde »

Regina, stimmt das "kaltgepresst.....".
Ich war bisher immer der Meinung, dass kaltgepresst kaltgepresst ist ohne später weiterverarbeitet zu werden.
Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei. G. Orwell

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Heike
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Ungelesener Beitrag von Heike »

Regina hat geschrieben:Kaltgepresst heisst ja nicht, dass es nicht anschließend raffiniert wurde.
Es könnte gedämpft sein … dafür spricht der völlig neutrale Geruch. Da er der einzige Anbieter in D war, konnte ich leider nie vergleichen.

Andrerseits gibt es andere Stelle in diesem Lexikon, da wird z. B. der Geruch von Granatapfelsamnöl je nach Quelle »geruchlos« oder »ölig, süßlich-lieblich, grün, stechend« beschrieben. Leider ohne Hinweis, auf welches Öl (nativ, raffiniert usw.) es sich bezieht …
Liebe Grüße
Heike

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